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Wenn die Knallerei den Hund in Panik versetzt
Jeder zweite Hund hat Angst vor Feuerwerk, Knallkörpern und ähnlich lauten Geräuschen wie beispielsweise Tischbomben. Zu diesem Resultat ist eine Studie der Verhaltensbiologin PD Dr. Stefanie Riemer vor zwei Jahren gekommen. Die Studie zeigt aber auch, dass die sogenannte Geräuschangst therapiert werden kann. Doch eine solche Therapie braucht Zeit und für den kommenden Silvester ist es definitiv zu spät. Einige Tipps, wie man seinem Vierbeiner dennoch helfen kann.
Vielleicht kennt ihr Hund gar keine Geräuschangst und reagiert dieses Jahr das erste Mal auf Silvesterfeuerwerk? Oder sie haben ein neues Familienmitglied zuhause, das generell sehr ängstlich ist? Liegt es an einem neuen Nachbarn, der auf Knallkörper steht und damit zum ersten Mal ins bisher ruhige Quartier extremen Lärm bringt? Es gibt viele Gründe, weshalb man schnell verfügbare Tipps und Tricks braucht, seinem Hund über den Jahreswechsel zu helfen. Die SKG-Redaktion hat einige Inputs für Sie zusammengetragen.
Hunde, die sich verkriechen möchten, wenn es draussen zischt und knallt, sollen Rückzugsmöglichkeiten erhalten. Ob im Keller, im abgeschoteten Wohnzimmer, in einer gepolsterten Box oder gar im Schlafzimmer unter der Bettdecke: Hauptsache der Hund ist möglichst wenig beängstigenden Geräuschen ausgesetzt.
Grundlage: Sichern, sichern und nochmals sichern
Auch theoretisch schusssichere Hunde sollten über die Jahreswechseltage möglichst nur gesichert durch Wohngebiete geführt werden. Hier ist nämlich die Gefahr, dass schon am helllichten Tag, unvermittelt und in nächster Nähe Knallkörper gezündet werden, am grössten. Hunde mit Geräuschangst dürfen über die lauten Tage gar nicht ab der Leine und sollten mindestens doppelt mit (Sicherheits-)Geschirr und Halsband sowie zwei Leinen gesichert werden. Der Freilauf im eigenen Garten ist nur möglich, wenn dieser wirklich absolut ausbruchsicher ist und der Zaun auch nicht in Panik überwunden werden kann. Zum Zeitpunkt des stärksten Geräuschaufkommens muss auch der im Haus eingeschlossene Hund sicher sein, gerade mit kleinen Kindern ist die Gefahr gross, dass ein geöffnetes Fenster oder eine nur angelehnte Haustür dem vor Angst kopflosen Hund eine Fluchtmöglichkeit bietet
Geräusche dämpfen – Rückzugsort und Nähe anbieten
Damit der Hund (oder die Katze, die Meerschweinchen, die Kanarienvögel …) im Haus möglichst wenig panikauslösenden Geräuschen ausgesetzt ist, sind Fenster, Türen und Fensterläden möglichst gut zu verschliessen. Den Fernseher oder etwas Musik laufen zu lassen, hilft den Tieren zusätzlich. Selbstverständlich wird auch auf Tischbomben in Hörweite verzichtet, wenn man sein Leben mit ängstlichen Tieren teilt. Möchte der Hund sich verkriechen, dann sollte ihm das erlaubt sein. Decken Sie seine Box mit Wolldecken ab oder bieten Sie ihm einen Rückzugsort im Keller oder einem anderen fensterlosen Raum an. Sucht er hingegen Ihre Nähe, weil er sich bei Ihnen sicherer fühlt, dann lassen Sie ihn Kontaktliegen, solange und so intensiv er will.
Aber das müssen wir Ihnen eigentlich gar nicht sagen, denn als verantwortungsbewusster Hundehalter, als versierte Hundehalterin ist ihr Hund entweder nicht von Geräuschangst betroffen oder entsprechend gut auf Feuerwerk trainiert. Aber vielleicht hat es in Ihrem Umfeld Neuhundehalter oder BesitzerInnen von Angsthunden? Dann dürfen Sie diesen Newsletter gerne ausdrucken und nach Herzenslust in der Nachbarschaft verteilen
Von Watte über Flughafenhotel bis zur stundenlangen Autobahnfahrt
Aktuell mehren sich nämlich die Anfragen von HundebesitzerInnen in den sozialen Medien, was sie denn tun könnten, um ihren Vierbeiner vor dem Feuerwerkslärm zu schützen. Die Tipps reichen von Watte in den und Wollschal um die Ohren über enganliegende Shirts und Bandagen bis hin zur Hotelübernachtung am Flughafen (Feuerwerksverbot in einem gewissen Umkreis wegen der Flugsicherheit) bis hin zu Fahrten auf der Autobahn über den Jahreswechsel hinaus. Auch Tipps zu Hilfsstoffen wie Globuli, Notfall- oder CBD-Tropfen, Pheromonen und sogar zu Medikamenten machen die Runde. Zu letzteren folgt gleich der nächste (Warn-)Hinweis.
Nicht jeder Wirkstoff ist geeignet
Auch in Tierarztpraxen werden oft angstlösende und beruhigende Medikamente empfohlen. Vorsicht ist jedoch beim Wirkstoff Acepromazin geboten, der in der Schweiz unter anderem in «Calmivet ad us. vet.», Tabletten, «Prequillan ad us. vet.», Injektionslösung sowie «Sedalin® Gel 3.5% ad us. vet.», Oraldoser enthalten ist. Denn Medikamente mit diesem Wirkstoff machen den Hund zwar reaktionsunfählig, belassen ihn aber in seiner Angst. «Bei gestressten Tieren kann Acepromazin durch die sogenannte Adrenalinumkehr einen Volumenmangelschock induzieren», wird im VetPharm der Universität Zürich gewarnt. Noch kritischer sei der Einsatz dieses Wirkstoffes bei Riesenrassen und Windhunden, die teilweise überempfindlich reagieren, bei brachyzephalen Hunderassen sowie bei Hunden mit MDR1-Genmutation. (Quelle: www.bit.ly/3W0CS56)
Eine ausführliche und jährlich nach den neuesten veterinärmedizinischen Erkenntnissen aktualisierte Übersicht über Medikamente mit pointierten Empfehlungen hat der Ulmener Tierarzt Ralph Rückert auf seiner Website veröffentlicht. In seinem Beitrag «Der panische Hund an Silvester: Alprazolam, Dexmedetomidin, Imepitoin, Alkohol?» (www.bit.ly/3hk5NlF) empfiehlt er Medikamente mit dem Wirkstoff Benzodiazepinen. «Benzodiazepine sind im Gegensatz zu Acepromazin tatsächlich anxiolytisch, also angstlösend, und werden vom Patienten als entsprechend wohltuend und stressmindernd wahrgenommen. Diese Medikamentengruppe gilt auch als sehr anwendungssicher», sagt Rückert. Konsultieren sie in jedem Fall Ihren Tierarzt falls sie in Erwägung ziehen, ihrem Hund zur Linderung der Ängste Medikamente zu verabreichen.
Vorbeugen beginnt schon beim Welpen
Wer sich zukünftig keine oder zumindest viel weniger Sorgen um seinen Hund an Silvester und anderen knallstarken Feiertagen machen möchte, kann nicht nur mit geeignetem Training, sondern auch schon bei der Auswahl seines zukünftigen Familienmitglieds vorsorgen. Welpen aus inländischen Zuchtstätten sind nämlich laut der eingangs erwähnten Studie viel weniger von Geräuschangst betroffen («Not a one-way road—Severity, progression and prevention of firework fears in dogs»: www.bit.ly/3W7UL1E). Wie sich Geräuschangst in der Welpensozialisierung vermindern lässt und weshalb ängstliche Hunde im Zweifelsfall nicht verpaart werden sollten, hat Stefanie Riemer in der aktuellen Ausgabe des «Hunde» ausführlich erklärt.